Schneller und lockerer auf den Berg kommen, um mehr Power für den ersehnten Downhill zu haben und mehr Runs machen zu können – das wünscht sich doch wohl jeder. Sportwissenschaftler Clemens Hesse, der auch René Wildhaber trainiert, sagt euch wie: Der 5 Wochen Trainingsplan für Enduro!

Jeder möchte ein klein wenig fitter und schneller mit dem Bike über die Trails ballern. Manch einer will auch richtig fit werden, weil er wie die Profis an einem Rennen der Enduro World Series teilnehmen will. So wie Tim Schüz. Bisher „nur“ ambitionierter Freizeitbiker mit gelegentlichen Endurorennen, will er in diesem Herbst in Finale Ligure die EWS wie ein Profi rocken. Tim erhält einen 5 Wochen Trainingsplan für Enduro von Clemens Hesse, der auch René Wildhaber und viele andere Profiathleten betreut. Wir begleiten Tim durch das Training, zeigen euch, wie auch ihr schneller mit dem Bike durch den Wald heizt und wie fit ein Profi wie René Wildhaber wirklich ist.

Interview mit Clemens Hesse von HesseKafka

Clemens Hesse ist Diplom-Sportwissenschaftler, arbeitete als Radsporttrainer am Olympiastützpunkt Rheinland und bertreibt sein eigenes Trainingsinstitut HesseKafka. Er trainiert nicht nur Profis unterschiedlichster Disziplinen des Radsports, die durch seine Betreuung schon einen Weltrekord, einige Weltmeister- und nationale Titel gewonnen haben, sondern auch Freizeitsportler.

Clemens Hesse weiß, wie man seine Fitness effizient verbessert

Clemens, du trainierst seit einigen Jahren unter anderem René Wildhaber, einen der ganz großen Namen im Enduro-Business. Aber mal von Anfang an: Was sind die spezifischen Anforderungen im Enduro?
Im Enduro sind vor allem drei Aspekte ausschlaggebend. Die Fahrtechnik, also die Fähigkeit, sich selbst samt Material kontrolliert und schnellstmöglich durch die Stage oder über eine definierte Strecke zu bringen. Die körperliche Leistungsfähigkeit ist maßgebend, für den  maximalen Vortrieb in den relevanten Passagen, sich davon zu erholen und einen möglichst geringen Leistungsverlust im Laufe des Rennens zu erleiden. Und als Drittes noch die psychische Leistungsfähigkeit, mit der der Biker die Fahrtechnik und physische Leistung auch unter suboptimalen Bedingungen abrufen und sich auf ändernde Bedingungen, wie zum Beispiel das Wetter, einstellen kann.

Wie man die Fahrtechnik verbessert, weiß wohl jeder Mountainbiker. Aber wie wird die physische Komponente trainiert? Viel hilft viel und Radfahren kommt vom Radfahren?
Nein, absolut nicht. Ein strukturiertes und sinnvoll geplantes Training ist hier der Schlüssel zum Erfolg – kurzum: Qualität vor Quantität. Im Training speziell für Enduro werden lange Antritte und Sprints mit einer hohen Trittfrequenz in Form von intermittierenden Intervallen im vorher bestimmten Bereich der maximalen Sauerstoffaufnahme, kurz VO2max, gefahren. Dazu wird der maximale Vortrieb durch Krafttraining, mit zum Beispiel Kniebeugen und Kreuzheben, und einem entsprechenden Transfer auf’s Rad trainiert. Denn solch hohe und kontrollierte Reize wie beim Krafttraining bekommt man auf dem Bike nicht hin. Lockere Grundlageneinheiten im Bereich der optimalen Fettverbrennung helfen, um nicht schon von den Transferstages müde zu werden und einen langen (Renn-) Tag auf dem Bike gut zu überstehen.

Die Kniebeugen ist eine der besten Übungen für Mountainbiker

Wie unterscheidet sich das Training für Enduroraces vom Training für Marathonrennen und Touren?
Beim MTB-Marathon soll die gesamte Strecke in möglichst kurzer Zeit bewältigt werden. Schaut man sich die zeitliche Verteilung an, steht die Uphill-Leistung deutlich vor der im Downhill. Daher muss bei bergigen Rennen die sogenannte Schwellenleistung, also der Poweroutput, bei der genauso viel Laktat produziert wie abgebaut wird, verbessert werden. Bei flacheren Rennen wird ähnlich wie im Enduro die maximale Sauerstoffaufnahme trainiert. Vereinfacht gesagt, die Schwellenleistung und maximale Sauerstoffaufnahme sollten so hoch wie möglich sein.
Beim Enduro liegt der Fokus weniger auf den Uphills, sondern auf den (gewerteten) Downhills, wobei auch hier natürlich längere Tretpassagen in den Stages vorkommen können. Aufgrund der Dauer und der Leistungsverteilung in den Stages ist die Sauerstoffaufnahme wichtiger und der Kohlenhydratstoffwechsel muss stärker ausgeprägt sein, um hochintensive Tretphasen mit einer Dauer von über sechs Sekunden zu optimieren. Vereinfacht: Die Sauerstoffaufnahme und maximale Laktatbildungsrate sollten so hoch wie möglich sein.
Und Touren sind ja quasi die Schnittmenge aus Marathon und Enduro, man sollte also eine gute „Allround-Fitness“ ausprägen.

Wie unterscheidet sich das Training für ambitionierte Freizeitsportler wie Tim von dem für Profis wie René?
Bei Amateuren muss das Training grundsätzlich an den Alltag angepasst werden, bei Profis gestaltet sich der Alltag um das Training herum.
Bei Spitzenfahrern kann davon ausgegangen werden, dass alle leistungsförderlichen Trainingsmöglichkeiten vorhanden sind oder auf sie zugegriffen werden können: Kraftraum, Koordinationsübungen (Slackline, Einrad, Geräte für Parcours), Motocrossmaschine, Rennrad, Enduro- und Downhillbike, Physiotherapie, Mentalcoach, regelmäßige Leistungsdiagnostiken, Leistungsmessung, optimierte Ernährung und vor allem ausreichend Zeit zur Regeneration vom Training. In der Realität zeigt sich allerdings oft, dass auf diese Möglichkeiten doch nur phasenweise zugegriffen werden kann, denn zum Beispiel Verpflichtungen gegenüber Sponsoren, Filmdrehs und die damit verbundenen Reisen werfen häufig die schönste Planung über den Haufen [lacht]. Bei Profis lassen sich mehrere Einheiten am Tag regelmäßig einplanen: Morgens in den Kraftraum, anschließend eine kurze Einheit zur Umsetzung auf dem Pumptrack. Am Nachmittag dann eine lockere Tour mit dem Rennrad zur Massage und zurück… da lacht das Trainerherz.[grinst]
Bei Tim war das Ziel, trotz seines Arbeitstages in kurzen Einheiten Trainingsreize zu setzen, die ihm innerhalb von sechs Wochen einen deutlichen Schub geben, sodass er im Mai noch konkurrenzfähiger ist.

Was sind typische Fehler, die Endurofahrer bei ihrem Training machen?
Ich beobachte zwei Extreme: Die Einen (Trainingsbegeisterten) versuchen immer noch mehr zu machen. Ausdauertraining, Krafttraining, Fahrtechnik, Touren und so weiter, aber übernehmen sich damit. Tatsächlich ist gerade das klassische Radtraining für Endurofahrer eine heikle Angelegenheit, weil dadurch die Leistungsfähigkeit auf den Stages sinken kann während die Erholungsfähigkeit zwischen den Stages steigt – aber die sind irrelevant für die Zeitnahme. Das andere Extrem stellen die Fahrer dar, die (fast) ausschließlich „einfach fahren“, dann aber von ihrem Ergebnis enttäuscht sind. In dem Fall hilft das Setzen neuer Reize. Die kommen beispielsweise schon zustande, wenn man mal mit deutlich stärkeren Fahrern unterwegs ist oder aber durch einen Trainingsplan, wenn er denn eingehalten wird [schmunzelt].