Tagebucheintrag Nr. 2 in Justin Leovs persönlichem Racing-Diary. Diesmal spielt sich alles im wilden Argentinien ab, beim zweiten Rennen der Enduro World Series.
Im ersten Eintrag in Justin Leovs Tagebuch, berichtete er über das erste EWS Rennen der Saison in Chile. Nun geht es beim zweiten Rennen weiter, das nur eine Woche später in Cerro Catedral, Argentinien statt fand und nicht weniger spannend war als das erste. Im Gegenteil …
Justin Leovs Tagebuch – S03 E02: Tango en Argentina
Für dieses zweite Rennen musste ich die Einstellung meiner Federungen noch etwas korrigieren, die Volumenspacer austauschen und den Druck leicht vermindern. Diese Änderungen drängten sich nach den ersten Erkundungsfahrten auf. Es war eher eine DH-typische Strecke, die sandig und nach allen Seiten dem Wind ausgesetzt war. Manche Spurrillen waren so tief, dass man Gefahr lief, darin stecken zu bleiben.
Ich hatte noch weitere Änderungen an meinem Fahrrad vorgenommen. Das Kettenblatt mit 34 Zähnen habe ich durch eines mit 36 ersetzt und den Lenker um weitere 5 mm nach oben verstellt. Fünf der sechs Wertungsprüfungen waren sehr steil bzw. enthielten sehr steile Streckenabschnitte voller Löcher, in denen man versinken konnte. Daher erschien mir eine leicht erhöhte Lenkung angebracht. Schließlich entschloss ich mich auch für 200 mm – Scheiben anstatt 180er für eine höhere Bremsleistung!
Ich muss sagen, dass ich während der Erkundungsfahrten Probleme hatte, eine korrekte Fahrlinie hinzubekommen. Wir benutzten die Seilbahnen, um uns zu den Strecken zu begeben. Im Gegensatz zu letzter Woche war es somit möglich, jede Wertungsprüfung mindestens zwei Mal abzufahren. Allerdings dachte ich nicht, dass sie sich so stark durch das ständige Befahren verändern würden. Die Fahrtlinien, die ich mir bei einem ersten Run eingeprägt hatte, waren beim darauf folgenden Run nicht mehr da. An so etwas bin ich nicht gewöhnt. Ich bin eher der Typ, der die ideale Fahrtlinie im Kopf haben muss, um sie dann beim folgenden Streckenabschnitt möglichst zu finden.
Der andere spezifische Punkt war der Staub, der allgegenwärtig auf der Strecke war. Es war schon nicht einfach, klar zu sehen und vollkommen unmöglich, hinter jemandem herzufahren. Meine Brille nahm ich das ganze Wochenende über nur dann ab, wenn ich sie nach jedem Run reinigen musste. Dafür musste die Schutzhülle meiner Goggles herhalten, die ich zu einem Luxustuch umfunktioniert hatte.
Ich bewältigte die erste Wertungsprüfung ohne größere Fehler. Sie war eine Mischung aus sehr schnellen weiträumigen Teilabschnitten und aus viel engeren Streckenteilen mit Spurrillen. Am Ende kam die 12. Zeit für mich heraus. Natürlich hätte ich gerne eine noch bessere Platzierung herausgefahren, aber es war trotz allem ein guter Start.
Die zweite Wertungsprüfung war ein Sprint, der zwei Minuten dauerte. In diesen Fällen heißt es alles oder nichts. In meinem Fall war es eher nichts 😉
Ich hatte zu keiner Zeit den richtigen Rhythmus gefunden. Das Besondere an dieser sandigen und tiefen Strecke ist, dass durch den geringsten Fehler sofort der Schwung verloren geht und dass man den Geschwindigkeitsverlust nicht wieder gutmachen kann.
Gehen wir zur nächsten Wertungsprüfung über …
Die dritte Wertungsprüfung war meine Lieblingsprüfung des Wochenendes. Sie begann mit einer Art Mondlandschaft. Weiträumig und mit kleinen Felsen überzogen. Das hat mir bei der Erkundungsfahrt richtig gut gefallen und ich konnte es kaum erwarten, beim Rennen mit voller Geschwindigkeit zu fahren. Im Mittelteil der Wertungsprüfung war auch ein ziemlich steil ansteigender Abschnitt. Es würde darauf ankommen, seine Kräfte korrekt einzuteilen und technisch wachsam zu sein. Vom Start weg fühlte ich mich gut. Es ließ sich gut an für den weiteren Verlauf. Ab einem bestimmten Zeitpunkt bemerkte ich, dass Pflöcke und ein Stück Absperrband, die herausgerissen wurden, mitten auf der Strecke lagen. Es war zu spät, um noch auszuweichen. Ich fuhr über einen der Bambuspflöcke, der sich zwischen meinem Kettenwechsler und dem Rahmen verklemmte. Was für ein Pech! Ich versuchte weiter die Pedale zu treten, es war mir aber schnell klar, dass sich der Pflock nicht von selbst lösen konnte und mir den Kettenwechsler wegreißen konnte. Dies hätte das frühzeitige Ende des Wochenendes bedeutet. Ich hielt also an, um diesen Sch…pflock zu entfernen. Als ich wieder losfuhr, war ich wirklich mies drauf. Nach einigen Metern merkte ich, dass noch irgendetwas war. Ich konnte nicht schalten. Jetzt kam der ansteigende Abschnitt, den ich laufend zurücklegen musste. Ich verfluchte die ganze Welt unter meinem Helm. Als ich oben angekommen war, gelang es mir, meinen Kettenwechsler wieder in Ordnung zu bringen und ich fuhr wieder los, um den Run zu beenden. Dieses Mal war ich so wütend, dass ich meine gesamten guten Vorsätze bezüglich Vorsicht vergaß. Ich fuhr die restliche Strecke am Anschlag und konnte mich auf diese Art schließlich beruhigen und wieder etwas innere Ruhe finden.
Am Ende des ersten Tages fand ich mich an 25. Stelle wieder. Das entsprach nicht wirklich meinen anfänglichen Vorstellungen.
Die 4. Wertungsprüfung am nächsten Tag war DH-typisch und trieb mir ein paar Mal den Schweiß auf die Stirn, aber alles in allem kam ich ganz gut zurecht.
Die 5. sollte sehr kraftraubend sein. Ungefähr sieben Minuten Kraftaufwand auf einer Strecke, mit ziemlich geringem Höhenunterschied, einem steilen Anstieg und einem letzten sehr technischen Teil. Ich ging es guten Herzens an, an manchen Punkten vielleicht etwas zu sehr. Ich habe mich ziemlich verausgabt, aber das ist oft der Fall bei sehr kraftraubenden Wertungsprüfungen. Es ist gar nicht so einfach, eine gute Fahrtlinie zu halten, wenn der Atem stillsteht. Am Ende stand die 9. Zeit und ich war richtig zufrieden, dass die Geschwindigkeit zurück war!
Die letzte Wertungsprüfung war wiederum sehr DH-typisch. Dieses Mal lief es besser als am Morgen. Ich war zufrieden mit meiner Fahrt und fühlte mich am Ende richtig gut. An diesem zweiten Tag konnte ich meinen Rückstand etwas verringern und wurde schließlich 16. in der Gesamtwertung.
Es geht in kleinen Schritten voran. Manchmal ist es frustrierend, wenn man nicht um die vorderen Plätze mitfahren kann, oder wenn man zusehen muss, wie andere Fahrer Wertungsprüfungen gewinnen und man daran denkt, wie es sich anfühlt. Aber das ist so eine Situation, für die es keine schnelle Lösung gibt. Nach einem Unfall benötigt man Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen und seine Höchstleistungen abzurufen. Auch ein Teamwechsel und eine neue Ausrüstung bedürfen einer Anpassungszeit. Ich verlasse also Südamerika mit meinen ersten beiden Ergebnissen. Ich weiß jetzt, wo ich stehe und wo ich hin will. Ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir!
Bis demnächst in Irland.
Justin
Justin Leovs Tagebuch – S03 E01:
Text: Justin Leov
Bilder: Sebastian Schieck