Wie lässt sich diese Tatsache mit den Interessen der Trailsurfers in einem Ballungsgebiet bei Stuttgart unter einen Hut bringen?
Die Gemeinden haben den Auftrag vom Land Naherholung anzubieten. Bis jetzt haben es aber nur wenige Gemeinden geschafft, die Interessen der Bürger im Raum Stuttgart zu edienen. Die fahren an den Wochenende lieber in die Alpen, auch zum Mountainbiken. Bei uns beschäftigt sich beispielsweise so gut wie niemand mit dem öffentlichen Berg- und Talbus, der von den Gemeinden finanziert wird und jedes Jahr Miese einfährt. Immer wenn ich diesen Bus sehe ist der Bikeanhänger leer, es fehlt schlichtweg an Ideen und deren guter Umsetzung. Die Trailsurfers geben gerne ihr gewonnenes Know-how zum Bau von Wegen und Brücken für Biker weiter. Zudem habe ich mit dem Jonny Love-Shuttle genügend Erfahrung sammeln dürfen, die ich ebenfalls gerne Preis gebe.

Und wie sieht’s mit den Wild- und Naturschutzzonen aus?
Wir sollten der steigenden Anzahl an Freizeit-Bikern mit einer klaren Streckenführung begegnen, anstatt sie ihrer Eigendynamik zu überlassen. Ohne die Trailsurfers werden die Leute auch in den Wald zum Biken gehen, allerdings dann kreuz und quer. Mit dem Streckennetz ist der Fahrfluss kanalisiert und auf die mit den Behörden abgestimmten Strecken festgelegt. Zudem wurden zwischen dem LRA Heilbronn und den Trailsurfers das Anlegen neuer Trails hinsichtlich Streckenführung, Attraktivität, Haftungsrisiken, Naturschutz und wildschutzrechtlichen Anforderungen genau abgestimmt. Das war mitunter der größte und anstrengendste Teil des Pilotprojekts in Beilstein.
Eines möchte ich noch dazu anmerken: Keiner der von uns angelegten Trails, auch vor der Vereinsgründung, wurde ohne unser Einverständnis abgerissen bzw. stillgelegt. Diese Absprachen bildeten letztlich den Grundstein für die erfolgreiche Zusammenarbeit. An dieser Stelle bedanken wir uns beim Landratsamt Heilbronn sowie dem Revierförster.
Wie habt ihr es geschafft, euch mit den unterschiedlichen Parteien wie Gemeinde, Forstamt, Jägern und Landwirten anzunähern und sogar in eine Zusammenarbeit zu finden?
Das ist Vorstandsarbeit. 140 Vereinsmountainbiker unterwegs im Wald sehen eine Menge, was dem Vorstand dabei hilft, Ideen und Probleme zu erkennen und anzugehen. Neben Handwerkern, Angestellten und Unternehmern haben wir auch Juristen in unserem Verein. Das Potenzial an Know-how ist sehr vielfältig und noch viel wichtiger: Wir setzen es auch ein. Wie haben die Menschen in der Region auf den Bau der Trails reagiert? Größtenteils waren die Leute erstaunt! Die anfängliche Skepsis wich der Neugierde und schon lief der von uns gelieferte positive Informationsfluss von ganz alleine. Inzwischen sind die Gegner überwiegend Skeptiker geworden wie z. B. der Friseur meiner Mutter, mit dem ich hoffentlich bald wieder ein freundschaftliches Wort wechseln kann. Wir kennen uns seit meiner Kindheit, er kam damals sogar sonntags zu uns, weil ich mir mit dem Langhaarschneider Löcher in die Frisur rasiert hatte. Aber als leidenschaftlicher Jäger ist er auch einer der erbittersten Gegner in der kommunalen Auseinandersetzung. Und wie man ja weiß, im Schwabenländle schenkt man sich eben nichts.

Angeblich sind weitere Nachbarkommunen am Bau von Trails interessiert. Perspektivisch könnten durch den Streckenausbau nicht nur die Biker profitieren, sondern die ganze Region.
Das ist unser großes Ziel, den Auftrag vom Land umzusetzen. Den Tourismus zu entwickeln und ihn mit in die Wertschöpfungskette der Gemeinden zu integrieren. Noch sind viele der kleinen Städtchen wie Beilstein Pendlervororte, in denen durch das Internet so gut wie kein Einzelhandel mehr existiert. Natürlich gibt es wie überall einen großen Supermarkt und eine Tankstelle, aber viele Ladengeschäfte stehen eer, was sich meiner Meinung nach auch auf die heimische Gastronomie negativ auswirkt. Mit der Trail-Infrastruktur starten wir auch den Versuch, die kleinen Städtchen wieder für die gutverdienenden Menschen interessanter zu machen, die sich größtenteils sehr teure Fahrräder kaufen und es lieben, in einem Besen [heimische Gastwirtschaft; Anm. d. Red.] ein Glas Wein aus der Region zu trinken und sich eine Schlachtplatte oder etwas nobler einen Rehrücken zu bestellen.