Justin Leovs erster Eintrag der dritten Staffel seines persönlichen „Tagebuchs“. Los geht’s mit dem Rennen der Enduro World Series in Chile.
Ex-Downhiller Justin Leov ist während der Off-Season Familienvater und während der Saison einer der schnellsten Enduropiloten der Enduro World Series. Seit diesem Jahr ist er im Trikot des Canyon Factory Enduro Teams unterwegs. In seinem persönlichen „Tagebuch“ hält er euch über seine neuesten Trips und Rennen auf dem Laufenden. Hier ist sein erster Eintrag.
Justin Leovs Tagebuch – Season #03, Episode #01: Chile
Und da war der Startschuss in die neue Saison! Wir sind in Chile angekommen und haben das kleine Dorf Corral entdeckt.
Die örtlichen Tätigkeiten drehen sich um Fischen und die Holzindustrie. Die Waldwege, die zu den Wertungsprüfungen führen, wurden erst vor Kurzem angelegt und haben bisher nicht die Spur eines MTBs gesehen.
Wir waren ungefähr vierzig Minuten entfernt in einer „Ökohütte“ aus Igluzelten untergebracht. Dadurch konnten wir uns eine 20-minütige tägliche Überfahrt mit der Fähre und vor allem die Warteschlange vor dem Einschiffen ersparen. Ein sehr abgelegener aber auch sehr cooler Ort. Der Strom wird von Solarmodulen erzeugt und es gibt kein Internet, ein in Vergessenheit geratenes Gefühl!
Bei einem zweitägigen Rennen mit sechs Wertungsprüfungen und, zumindest bei diesem Rennen, einem Verbot der Pendelbusse an den Erkundungstagen schien es mir wichtig, die verbleibende Zeit vor den Trainingseinheiten mit dem Rad zu nutzen, um die Wertungsprüfungen zu Fuß abzulaufen. Dies bedeutete zwar eine größere körperliche Anstrengung, aber dieser Nachteil würde sich bei Weitem wieder durch den Umstand ausgleichen, dass ich schon eine ziemlich genaue Vorstellung des zu befahrenden Geländes habe, wenn ich die Erkundungsfahrten antrete.
Sprechen wir über das Gelände. Eine Mischung aus Teilabschnitten ohne Höhenunterschied und im Gegensatz dazu aus anderen mit einem extrem hohen Höhenunterschied. Und ein Grund mit einer sehr schlechten Haftung. Die erste Herausforderung würde die Einstellung des Fahrrads sein. Idealerweise benötigte man den Grip von Schlammreifen und den Rollwiderstand von Slicks … Ich musste mich entscheiden! Da es das erste Rennen der Saison war, bevorzugte ich vorsichtshalber mehr Grip und nahm dabei einen geringen Geschwindigkeitsverlust in Kauf. Ich legte mich außerdem auf einen Reifendruck von 23 und 26 Psi fest.
Mit den zwei Erkundungstagen und den zwei Renntagen sollten wir 200 km und 6.500 positive Höhenmeter zurücklegen. Für die Trainingseinheiten nahm ich sowohl meine Brille als auch meine Goggles mit. Sie sollten nicht nur das gleißende Sonnenlicht abschwächen, sondern auch vor den Staubwolken schützen, die von den Fahrzeugen, die sich gleichzeitig mit uns auf den Waldwegen fortbewegten, aufgewirbelt wurden.
Ich entschied mich, sowohl bei den Erkennungsfahrten als auch beim Rennen, meinen Leistungsmesser einzusetzen, um meine Energie besser im Griff zu haben und meine Beine bei den langen Anstiegen möglichst zu schonen. 300 Watt bei den steilsten Anstiegen nicht überschreiten und die restliche Zeit im Bereich von 250 Watt bleiben.
Die erste Wertungsprüfung war eine Mischung aus „zu schnell“, „zu viele Fehler“, „zu langsam“ und „zu viel gebremst“. Dass ich ein paar Mal von der Strecke abkam, war auch nicht geplant. Es war ein mühsamer Auftakt!
Bei der zweiten Wertungsprüfung strengte ich mich an, einen sauberen Run hinzulegen, aber ohne unnötige Risiken einzugehen. Eine enttäuschende Zeit, verbesserungsfähig …
Bei der dritten Wertungsprüfung war ein „neutralisierter“ Bereich vorgesehen. Wir mussten einen Teil der Wertungsprüfung befahren, dann während 2 Min 45 anhalten und dann weiterfahren. Ich hatte mich beim Ort des zweiten Starts verschätzt. Ich fuhr los, um den zweiten Teil der Wertungsprüfung anzugehen und musste kurz darauf feststellen, dass ich mich immer noch im neutralisierten Bereich befand. Eine ziemliche Energieverschwendung, die auch auf das Gemüt schlug. Ich versuchte, meine Wut schnell abzuschütteln, um mich auf den weiteren Fahrtverlauf zu konzentrieren. Der zweite Teilabschnitt war schnell und ich fühlte mich gut, bis ich mit meinem Vorderrad gegen einen Baumstumpf fuhr. Ich fand mich schneller als ich sehen konnte auf dem Boden wieder. Zum Glück ohne größere Schäden. Ich fuhr den Abschnitt am Anschlag zu Ende, um so wenig wie möglich Zeit zu verlieren, aber die Stoppuhr war unerbittlich.
Ich beendete den ersten Tag auf dem 24. Platz. Ein Ausgangspunkt für mich. Mein Ziel für den darauffolgenden Tag war, „sauber“ zu fahren und eine Endplatzierung unter den ersten 20.
Der zweite Tag begann besser als der erste. Ich hatte die Einstellung meiner Federungen verfeinert und ich fühlte mich gut. Am Vortag fuhr ich im „Trail“-Fahrstil und auch im „Open“-Fahrstil, aber heute war ausschließlich der „Open“-Fahrstil angesagt.
Die vierte Wertungsprüfung verlief auf einer Strecke, die wohl zur Abfuhr der geschlagenen Bäume diente. Es war eine Art Bobbahn! Sehr spaßig und ein guter fehlerfreier Run.
Die fünfte Wertungsprüfung war dann wieder sehr kraftraubend. Die Kurven waren so eng, dass es beinahe unmöglich war, sie ohne Lenken zu durchfahren. Bei dieser Wertungsprüfung wurden die meisten von uns von einer Kuh auf der Strecke überrascht. Zum Glück ist das eher unüblich bei einem Rennen!
Die letzte Wertungsprüfung war ein prima Abschluss des Wochenendes. Der Anfang war flach auf einem zusammengefahrenen Grund. Danach kam ein Teilabschnitt, der so schnell war, dass ich den Eindruck hatte, auf einem Motorrad zu sitzen. Am Ende standen mein bestes Ergebnis des Wochenendes und ein 19. Platz in der Gesamtwertung. Damit war ich zufrieden. Ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir, aber ich kann mir jetzt ein besseres Bild von meinem aktuellen Leistungsstand machen, und auch von den Punkten, die ich verbessern muss.
Wir sehen uns schon sehr schnell wieder in Argentinien!
Justin
Text: Justin Leov
Bilder: Sebastian Schieck