In Mitten der Alpen Route zwischen Nizza und Grenoble ist ein einzigartiges Projekt entstanden: Der EVO Bikepark. So kamen wir nicht umher, dem Park einen kleinen Besuch abzustatten

Text: Jana Zoricic
Bilder: Jana Zoricic & Thomas Di Giovanni

Wenn man sich auf den schmalen Landstraßen, die sich durch die Provence schlängeln, befindet, muss man haarscharf aufpassen, keinen Unfall zu bauen. Denn die Landschaft mit seinen rauen aber bunt bewachsenen Felsen und der vielfältigen Vegetation, die stetig mit glasklaren, türkis-blauen Gewässern durchzogen ist, zieht einen in seinen Bann.
Als ich auf dem Weg nach Digne-les-Bains, dem ersten großen Ort auf dem Weg von Nizza nach Grenoble und der Heimat des EVO Bikeparks, schon zum zehnten Mal stehen bleiben musste um die Aussicht zu genießen sagte ich zu mir selbst „Ohje, ich werde da niemals ankommen!“.
Der Geruch der überall in der Luft lag, eine Mischung aus flüssigem Kiefern-Harz, frisch treibenden Laubwäldern, wildem Lavendel und Thymian sowie einem gelb-lilanen Blütenmeer überzeugten mich, warum jede Kräutermischung im heimischen Supermarkt mit „Kräuter der Provence“ betitelt wurde. Ich will mir gar nicht vorstellen wie es aussah, als ich schnuppernd und grinsend irgendwo mitten auf der Landstraße stand um so viel wie möglich von diesem Geruch einzufangen.

So kam ich also erst im Dunkeln an und fuhr mindestens zehn mal an der Einfahrt des EVO Bikeparks vorbei, denn an einer Hauptverkehrsstraße würde man so ein Paradies von Bikepark niemals erwarten.

Findet man die Einfahrt im Morgengrauen dann doch, wird man von einem liebevoll erbauten Holzhaus begrüßt, wo ein junger Mann mit Bart sich hinter seinem Mac versteckt und die Besucher empfängt. Sein Name ist Hugo Schonheere, er ist einer der drei Jungs, die diesen Bikepark gegründet und aus dem Boden gestampft haben. Es ist „Pre-Opening“, zwei Wochen in denen alle Spender, die zum Entstehen des Bikeparks beigetragen haben, zu exklusiven Tagen im Bikepark eingeladen werden.

Wie Alles Begann

Doch erstmal einen Schritt zurück: Wie kommen drei Jungs dazu, gleich einen ganzen Bikepark zu eröffnen, einfach so? Hugo nahm sich zwischen shutteln und buddeln die Zeit uns zu erzählen, wie alles begann.

Vor ca. zwei Jahren traf Hugo seinen jetzigen Bikepark-Kollegen Romain Baghe, schon damals existierte auf dem Gelände die Dirtline unten im Tal sowie eine Downhill Strecke. Die Jungs shuttelten sich gegenseitig und scherzten herum, „das hier wäre der perfekte Ort um einen Bikepark zu bauen!“, jedoch wussten beide nicht so richtig, mit wem und wie man so etwas beginnen konnte. Es gesellte sich noch Thomas Di Giovanni hinzu, der mit seinem Background als professioneller Filmer und Fotograf noch weiteren, wichtigen Input zu bieten hatte. Also setzten sie sich zu dritt zusammen und beschlossen, es selbst in die Hand zu nehmen.
So richtig begann dann alles vor einem Jahr, als die „Double Black Mamba“ Line entstand. Denn Romain hatte schon Erfahrungen als Pro im Freeride/Slopestyle zu verzeichnen, sodass ihm die vorhandenen Spots in Frankreich nicht mehr reichten und auch Hugo von einer rieisigen Big Bike Line träumte. Doch das ist nur eins der vielen Dinge, die den EVO Bikepark so einzigartig machen.

Ich wurde von Anfang an mit sehr viel Wärme und Herzlichkeit empfangen, was sich durch den gesamten Besuch im Bikepark zog, sodass es mir sehr schwer fiel, wieder abzureisen. Man fühlte sich dort schnell wie Zuhause, überall liebevoll gebaute Holzkonstruktionen, ein waschechtes Plumsklo mit Holzstreu zum Geruch abdecken, eine Wasserpumpe die für den Bikewash das Wasser aus dem kleinen Bach nebenan zapfte. Viele kleine Dinge, die den Besuch in Digne-les-Bains zu einem einzigartigen Erlebnis machten.

„Wir haben die Line für uns selbst gebaut, weil wir hier bei uns nirgendwo Sprünge für Big Bikes gefunden haben, die groß genug waren.“

Doch der Gedanke daran, einen ganzen Bikepark zu gründen, blieb den Jungs weiterhin im Kopf. Denn die Bedingungen waren optimal: Der Berg, auf dem sich der Park jetzt befindet, ist privates Gelände und in Besitz eines Forstwirtes, der selbst als Mountainbiker aktiv ist. Der Berg wird für Holzgewinnung genutzt, doch der Zeitpunkt, an dem das Holz das nächste Mal „geerntet“ wird, ist erst wieder in 50 Jahren. Bis dahin haben die Jungs freie Hand.
Sie stellten fest, dass sie dafür eine Menge Geld und Zeit investieren müssten, doch ein halbes Jahr später, Mitte 2015, stand der Entschluss fest: Der EVO Bikepark soll entstehen. Also begannen alle drei, Vollzeit an diesem Projekt zu arbeiten.
Schon vorher waren die drei unterwegs als „Homies Connection“, mit zahlreichen Unterstützern wie Commencal und ION Bike, die ebenfalls in die Unterstützung des Bikeparks mit eingestiegen sind.

Der nächste Schritt war das Geld – Also wurde das Crowdfunding auf indiegogo eröffnet. Die Jungs hatten sich den Coast Gravity Park als Vorbild genommen, denn sie waren die Ersten, die durch ein Crowdfunding nicht nur das Geld zusammen bekamen, sondern auch schnell an Bekanntheit gewannen. Es gab ein ähnliches, kleineres Projekt in Grenoble, dass sich durch Crowdfunding finanzieren konnte, was den Jungs zeigte, dass es auch in Frankreich möglich war. Sie haben aber selbst nicht erwartet, dass es so gut klappen würde, denn sie haben ihr Ziel sogar übertroffen und sind unglaublich dankbar für jeden Einzelnen, der sein Geld in den EVO Bikepark investiert hat.

„Ich hatte keine Freizeit mehr, ein halbes Jahr lang saß ich kein einziges Mal auf dem Bike. Aber das war es wert“

Am ersten Tag luden Hugo, Romain und Thomas alle ihre Freunde ein, um zu testen, wie der Shuttle-Service, die Strecken und alles drumherum funktioniert. So konnten sie einige Änderungen vornehmen und Probleme beheben, bevor der richtige Bikepark Betrieb losging. Natürlich gibt es jeden Tag Herausforderungen die in Angriff genommen werden müssen, aber die Motivation sich weiter zu entwickeln und daran zu arbeiten ist grenzenlos. Viele dieser Freunde sind den Dreien als Helfer treu geblieben und unterstützen die Jungs bei ihrem Traum, den sie sich erfüllt haben.

Die Strecken – Abenteuer Black Hills

Als das Crowdfunding beendet war, konnte es endlich an den spannenden Teil des Bikeparks gehen: Den Streckenbau. Da die Double Black Mamba und die Dirtlines schon standen, galt es sich um die drei Downhill Strecken mit drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden, genannt „The Dirty Wave“, zu kümmern. Alles wurde in feinster Handarbeit selbst angelegt und geschaufelt – und das merkt man auch.

Am ersten Tag lief ich die rote Downhillstrecke ab und verstand schnell warum die Franzosen so viel schneller sind als so manch anderes Mountainbike-Volk: Wir hätten Rot wohl eher als Doppelschwarz markiert.
Nichtsdestotrotz war es ein absoluter Traum, die Strecken zu befahren, in jeder kleinsten Kurve und jedem kleinsten Bump spürte man die Liebe und Hingebung, die diese drei Jungs in den Bau dieses Bikeparks gesteckt hatten. Alles war perfekt geshapet und abgerundet, aber auch ideal in die landschaftlichen Gegebenheiten des Berg integriert. Der Untergrund war etwas schmierig weil es die Nacht vorher geregnet hatte und der Staub eine Art Seifenlauge bildete – also war es eine echte Herausforderung für mich, selbst den blauen Trail herunter zu kommen.

Als ich Thomas begeistert erzählte, dass ich mit jeder Abfahrt schneller durch die Kurven kam, sagte er: „Das EVO im Bikepark kommt von Evolution, genau das erlebst du gerade.“

Dort gibt es Gestein, dass die französischen Freerider als „Black Hills“ bezeichnen, fein zermürbter Schiefer, der die Felsen grau färbt und fast wie Vulkan Gestein aussehen lässt. Auch die Rote Strecke führt durch die Black Hills und gibt einem einen echten Kick von Abenteuer, wenn man über einen schmalen Felskamm hinüber heizt um wieder in den Wald rein zu kommen.

Das Befahren der „Double Black Mamba“ überließ ich dann lieber Hugo selbst sowie CP Gang Ikone Nick Pescetto, der an diesem Tag auch zu Besuch war, um sich selbst ein Bild von der dicken Mamba zu machen. Er reiht sich in die vielen Pros ein, die dem EVO Bikepark schon einen Besuch abgestattet haben und mit großer Begeisterung wieder nach Hause fuhren. Andreu Lacondeguy und Rémy Métailler sind ebenfalls schon große EVO Bikepark Fans.
Wer aber als normaler Besucher die Double Black Mamba in Angriff nehmen möchte, der muss erstmal eine Abfahrt mit Hugo oder Romain machen, damit es keine übermütigen Stürze gibt.

Der Betrieb des Air-Bag Sprungs musste leider verschoben werden, da sich ein paar Tage vor der Eröffnung ein paar Spezialisten der Meinung waren, das Stromaggregat und ein paar Kettensägen klauen zu müssen. Doch das macht gar nichts, denn mit der Auswahl an Downhill-Strecken sowie den Dirts und dem Pumptrack ist man mehr als genug beschäftigt. Doch das soll noch längst nicht heißen, dass die Arbeit der Jungs beendet sei, denn der Plan ist, jedes Jahr eine neue Strecke einzuweihen. Als nächstes soll eine weitere Sprungline entstehen, mit abrollbaren Tables und Doubles, an die sich jeder herantasten kann oder so richtig Vollgas geben kann.

Ein Tag im EVO Bikepark

Der Shuttle Betrieb beginnt morgens um 9:30 und endet nachmittags um 18 Uhr. Mittags ist eine Stunde Pause, wo alle Besucher gemeinsam im Holzhäuschen essen und trinken können, quatschen und sich besser kennenlernen können. Es war den Jungs besonders wichtig, aus dem Bikepark einen Ort zu machen, den man nicht nur wegen der Strecken und Abfahren besucht, sondern um gemeinsam Zeit zu verbringen und Spaß zu haben. Und genau so war es auch – selbst die pausenlosen Heizer gesellten sich mittags zu uns, ich machte keine Abfahrt allein sondern bekam immer Gesellschaft von jemandem, der mir die Strecken zeigte und mich den Tag über begleitete. Zwei große, wuschelige Wollknäuel-Hunde machten sich ebenfalls zwischen dem Publikum breit und beobachteten das Geschehen – alles andere als ein normaler Bikepark Tag.

Die Shuttle Flotte besteht aus zwei Pickups und einem undefinierbaren (aber verdammt coolen) Mannschaftsbus, alle drei sind mit Anhängern bestückt, die die Bikes so sicher und klug beladen, dass sie (und wir) den ruppigen Weg bis zum Start ohne Schaden überstehen. Alleine habe ich es zwar nicht geschafft, mein Bike dort hoch zu hiefen, aber auch hier nahm ich gerne Hilfe an.

Der Park ist ganzjährig von Sonntag bis Dienstag geöffnet und hat eine Kapazität von ca 40 Besuchern. Ein Tag kostet 29 € und kann auf der Webseite www.evobikepark.com reserviert werden.

[vc_gallery interval=“5″ images=“7105,7106,7107″ img_size=“full“]

Eine große Reise wert

Wer mit dem Terrain der Provence vertraut ist, der mag vielleicht nicht so hart geflasht von der Landschaft des Bikeparks sein – denn ich muss immer wieder daran denken, wie ich in die Berge schaute und dachte „Wow, hier Trails zu bauen muss ein Traum sein!“ und am nächsten Tag stand ich genau inmitten dieser Berge, auf frisch gebauten Trails. Doch das ändert definitiv nichts daran, dass ein Besuch im Evo Bikepark nochmal etwas ganz anderes ist. Man spürt die Hingabe der Jungs an jeder Ecke, sei es auf dem Kettensägen-gefrästen Mittagstisch oder den perfekt geshapten Kurven. Alle drei haben ein Gespür für Strecken, die einen fordern aber auch bespaßen und auch der Plan, immer wieder neue Strecken zu bauen, bedeutet, dass man immer wieder einen Besuch einplanen muss um zu entdecken, was die Jungs wieder gezimmert haben.
Oder wenn man dem usseligen Winter in Deutschland entfliehen möchte, ab nach Südfrankreich. Genau solche Projekte und Menschen braucht unser Sport – aber nicht nur das, unsere Unterstützung brauchen solche Orte ebenso viel. Also auf mit euch in die schöne Provence, shredden zwischen wildem Lavendel und wilden Buchsbäumen!

Mehr Infos zum Evo Bike Park findet ihr unter https://www.indiegogo.com/projects/evo-bike-park und www.evobikepark.com